BMW F800 GS

Ein Fahrbericht


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Eigentlich hatte ich ja am 8.3.2008 zum Tag der offenen Tür und zur offiziellen Vorstellung der F800GS zum Freundlichen gewollt - aufmerksame Leser diverser Mailinglisten werden sich aber erinnern, dass mir auf dem Weg dorthin meine gute alte Transalp kaputtgegangen ist. Morgensonne im Kurbelgehäuse, wie man so schön sagt. Also bin ich ein Wochenende später mal da hin gefahren, hauptsächlich, um in Erfahrung zu bringen, was ich denn so am besten mit der kaputten Felge meines "karierten Esels" anstelle. Aber der gute Herbert kennt mich ja, also kam als erstes die Frage "Willste mal die neue 800er fahren?" Naja, wenn einem der Händler das schon anbietet, kann man schlecht nein sagen ... ;-)
Fünf Minuten später, nachdem der Schlüssel dann doch dort gefunden wurde, wo er hingehört, im Schlüsselkasten, saß ich also auf der flammneuen Maschine. Ein bisschen niedrig, dachte ich mir, die extra hohe Wunderlich-Sitzbank meiner Dakar gewohnt. Herbert sagte später, die niedrige Sitzbank sei montiert. Es gibt noch eine um 3 cm höhere. Naja, und die Gummidinger würde ich auch abmachen von den Fußrasten - das gibt noch mal einen Zentimeter.

Kurze Orientierung im Cockpit - etwas gewöhnungsbedürftige Anordnung von Tacho und Drehzahlmesser, rechts daneben das Fahrer-Informations-Display mit Uhr, km-Zähler, (Tages-km-Zähler? Hm, wird sie wohl auch irgendwo haben), Tankanzeige, Verbrauchsanzeige, die später, wenn Reserve angezeigt wird, die noch im Tank befindlichen km anzeigt (nettes Feature, hoffentlich stimmts auch ...), und irgendwas anderes noch. Ich weiß nicht, was davon Serien- und was Sonder-Ausstattung ist - soll mir im Augenblick aber auch erst mal egal sein. Den Abstellknopf fürs ABS entdecke ich, und, was mich nicht wirklich begeistert, die BMW-typische Anordnung der Blinkerschalter: Links blinken - links drücken, rechts blinken - rechts drücken, Blinker aus - einen anderen Knopf rechts drücken. Und ich dachte, mit der F650 hätten sie sich, zumindest bei der F-Serie, davon verabschiedet. Konsequenterweise werde ich dann beim ersten Rechtsabbiegen in Hänigsen das gute alte Bundeswehr-Täuschungsmanöver vorführen: Links blinken, rechts abbiegen ... Gut, über die Anordnung der Blinkerschalter kann man geteilter Meinung sein; aber wer hat sich diesen Hauptbremszylinder ausgedacht? Und in Wirklichkeit sieht's eigentlich noch viel fürchterlicher aus als auf dem Foto. Ist aber immerhin flexibel in Gummi gelagert. Hoffentlich hält das auch ein paar Jahre. Was mich echt erschüttert hat, ist allerdings die Anordnung des Zündschlüssels auf der Tank-Attrappe, hinterm (oder vorm, je nachdem ;-)) Lenkkopflager. Was soll so ein Quatsch??? Und wie soll ich da an den Schlüssel kommen, wenn ich einen Tankrucksack montiert habe? Ich meine, einen vorhandenen, nicht einen von diesen speziell von BMW für dieses Modell entwickelten und somit wahrscheinlich sauteuren TRS.

Aber auch das ist erst mal egal, ich bin zum Fahren hier. Ein kurzer Druck auf den Anlasser, und mit einem deutlich hörbaren heiseren Fauchen aus dem voluminösen Schalldämpfer nimmt der Paralleltwin, wie bei der F650-Einzylinder in Österreich bei Rotax gefertigt, seine Arbeit auf. Ist dieser begeisternde Sound tatsächlich original, oder hat Herbert mal wieder, so wie weiland bei der von mir probegefahrenen F650GS, am Auspuff rumgefrickelt? Ich nehme mir vor, ihn danach zu fragen, habs dann aber natürlich vergessen. Aber los jetzt. Der Bursche da unten hängt fantastisch am Gasgriff, fast schon gewöhnungsbedürftig gut. Liegt das eventuell an der Übersetzung des Gasgriffs? Beim noch so vorsichtigen Einpendeln des Gasgriffs auf eine Drehzahl ruckelt es doch arg, was aber auf keinen Fall an der Gemischaufbereitung liegt (aktueller BMW-Standard: Einspritzung, digitale Motorelektronik, G-Kat), sondern an meiner noch etwas unsensiblen Gashand. Später werde ich mich daran gewöhnt haben.

Eine halbe Stunde habe ich Herbert aus dem Kreuz geleiert, 45 Minuten plane ich ein. Wenn ich also noch das eine oder andere Foto machen will, und dafür nach Hause muss, weil ich natürlich keine Kamera dabei habe, muss ich mich schon ein wenig beeilen. Es geht also zügig auf meine Lieblings-Schnelltest-Strecke, die eine Sprungschanze über einen alten Bahnübergang beinhaltet (zwischen dem 2. und dem 3. Kreis), ein unharmonisches Kurvengeschlängel mit hubbeligem Asphalt an der Aue entlang nach Flatmoor (zwischen dem 5. Kreis und B, wer jemals vom Natelsheidesee mit mir zu den 7 Steinhäusern gefahren ist, kennt diese Strecke), und auf der Rückfahrt einen Dreckweg, der hier nicht eingezeichnet ist, weil GoogleMaps den nicht kennt. Weil der Motor noch kalt ist und grade 300 km auf der Uhr hat, gehe ich es erst einmal etwas vorsichtig an. Dennoch - man merkt, dass da im Vergleich zur Dakar 35 PS mehr am werkeln sind bei nur 15 kg mehr Gewicht (85 PS bei 7500/min, 207 kg fahrfertig).
Wenn ich schon nicht richtig Gas gebe, dann will ich wenigstens mal bremsen. Das mit ABS beschriftete Knöpfchen links am Lenker verrät mir, dass ABS eingebaut ist, und die nicht leuchtende Kontrollleuchte, dass es funktioniert. Voller Gottvertrauen gehe ich in die Eisen. Im Fußhebel spüre ich sehr zügig das charakteristische Pulsieren, in der Hand nicht. Und ich dachte, ich hätte schon ordentlich hingelangt. Also noch mal, diesmal mit etwas mehr Handkraft, und jetzt nehmen die Doppelkolben die beiden schwimmend gelagerten 300mm-Brembo-Scheiben richtig in die Zange, und jetzt klappt's auch mit dem ABS. Erkenntnis: Man kann, auch ohne ABS, immer noch ein wenig mehr in die Eisen gehen.

In den ersten Ecken und Kurven habe ich den Eindruck, dass die 800er doch etwas steifer im Handling ist als die Dakar, ein Eindruck, der nachvollziehbar ist, wenn man die Fahrwerksdaten vergleicht (jeweils F650GS Dakar/F800GS): Radstand 1489 mm/1578 mm, Nachlauf 123 mm/117 mm, Lenkkopfwinkel 60.8°/64 °, 130er/150er Hinterreifen), und der sich besonders im Kurvengeschlängel der Auetalstrecke bemerkbar macht. Einmal in der Kurve liegend, muss ich hin und wieder leicht korrigieren, weil die F doch etwas weiter in Schräglage gehen will, als es für Kurvenradius und Geschwindigkeit gut ist. Als ich jedoch im Verlauf der Strecke auf den Tacho schaue, sehe ich, dass ungefähr 120 anliegen - nunja, das ist denn doch etwas flotter, als ich normalerweise mit der Dakar dort unterwegs bin. Die Huckel im Asphalt jedenfalls werden von den 230 mm Federweg der 45mm-Upsidedown-Gabel und den 215 mm des in Zugstufe und Federvorspannung hydraulisch einstellbaren Zentralfederbeins hinten gut glattgebügelt.

Zu Hause angekommen, springe ich schnell ins Haus, schnappe mir eine Kamera, sage zur dbEva ™: "Schau mal draußen, was ich da hab!", woraufhin ein cooles "Aha..." kommt, und lasse sie einige Bilder schießen, bevor ich mich wieder Richtung Auetal auf die Räder mache. Das geht diesmal schon wesentlich besser, wie ich finde, auch die abschließende schnelle und langgezogene Rechtskurve gibt keinen Anlass zur Klage.

Bevor es nun nach Obershagen rein geht, biege ich links ab, um in der Feldmark den einen oder anderen Dreckweg unter die Räder zu nehmen, ein Vorhaben, das angesichts der zur Verfügung stehenden Motorleistung und der montierten eher straßenorientierten Bridgestone Battle Wing Reifen doch zu etwas Vorsicht mahnt. Die Motorleistung stellt sich als unproblematisch heraus, solange man unterhalb 3000/min bleibt, darüber wird der Motor zunehmend bissiger und lässt den Hinterreifen, der sich in dem feuchten und etwas matschigen Geläuf schnell zusetzt, bald antriebslos durchdrehen. Mit den "richtigen" Reifen drauf könnte das aber durchaus Spaß machen.

Zurück auf dem Asphalt ist es nun Zeit für die Elastizitätsprüfung von 50 auf 120 km/h im großen, d.h. in diesem Falle 6. Gang. Wie immer habe ich keine Uhr dabei, und wie immer muss ich dabei selbst von 21 zählen. Neu ist, dass ich vergessen habe, wie weit ich zählen musste ... Es waren aber deutlich weniger als 30 - 26 oder 27 AFAIR. Zur Erinnerung: bis 30 musste ich bei diesem Test für die G650X Challenge und seinerzeit für die F650GS zählen. 50 km/h im 6. Gang bedeuten bei der F800GS 2000/min, ein Wert, bei dem es mir nicht direkt die Arme langzieht, aber die F nimmt ohne Murren Gas an und zieht los. Das mit dem Arme langziehen geht allmählich bei 3500/min los, und ab 4000/min ist die Beschleunigung schon beeindruckend. Wir reden auch immerhin über 83 Nm bei 5750/min.

Aber jetzt steht doch noch die Sprungschanze an - bei 130 kommt die Schwarz-Gelbe ins Fliegen - ein "Fahr"-Zustand, der ihr, inklusive der folgenden Landung, rein gar nichts ausmacht. Sie liegt stabil in der Luft, und bei der Landung schüttelt sie sich nicht einmal. Gut gemacht, Baby ...

Tscha, und da bin ich auch schon wieder zurück. "Und," grummelt Herbert in seiner unnachahmlichen Art, " was hältste von dem Ding?", schaut mir ins grinsende Antlitz und fügt hinzu, "Okayyyy ... "

Fazit: Formal IMHO nicht sehr gelungen, aber darüber kann man streiten. Zwei Schöheitsfehler trüben, wiederum IMHO, das Gesamtbild: Hauptbremszylinder vorn und die unpraktische Platzierung des Schlüssels. Aber was soll's: Dies Ding ist sexy. Seit ein paar Jahren kann BMW tatsächlich Motorräder bauen, die begeistern. Und ich glaube nicht, dass diese Ansicht an meinem fortgeschrittenen Alter liegt ;-)) Was etwas nervte, war das 6-Gang-Getriebe. Die Abstufung der Gänge ist in Ordnung, ebenso die Schaltwege, und es lässt sich auch sehr exakt schalten. Zumindest hochschalten und während der Fahrt. Wenn Du aber vor der Ampel stehst und einige Gänge nach unten durchsortieren musst, um in den Leerlauf zu gelangen, dann offenbart es seine Tücken. An der einen oder anderen Ampel musste ich im 2. oder 3. Gang losfahren (was kein wirkliches Problem darstellt), weil es mir selbst unter Anwendung altbekannter und in -zig Jahren und Hunderten von Mm bewährter Tricks nicht gelingen wollte, die nächstniedrigen Gänge eingelegt zu bekommen. Vielleicht läuft sich das ja noch ein ...

Zum Schluss wie immer die Frage: Ist das was für mich? Kurze und knappe Antwort: Aber sischer dat ... Wenn da nur nicht dieser Preis wäre: Einstieg bei 9640,- €, dann hat sie allerdings nicht:
Heizgriffe195,- € (!!!)
ABS710,- €
Bordcomputer145,- €
Hauptständer110,- €
Diebstahlwarnanlage205,- €
weiße Blinker (!)35,- €
Vollausgestattet mit allen möglichen sinnvollen bis zweckfreien Zusätzen kommen 11040,- € zusammen; das muss die Portokasse erst mal hergeben ...


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